Herbst-Blatt Nr.20, September 2000 Herbst-Blatt

    Marie-Seebach-Stiftung Weimar

    Die europäische Kulturstadt 1999 sonnt sich nicht nur im Rufe der einzigartigen Architektur. Neben ihren Anlagen im Park an der Ilm, Tiefurt und Belvedere beherbergt die symbolträchtige Stadt Weimar ein Kleinod an der Tiefurter Allee 8: das Marie-Seebach-Stift. Die Altersheime der deutschen Bühnenkünstler waren und sind einmalig in Deutschland.

    Marie Seebach, eine große deutsche Schauspielerin, bestimmte den 2. Oktober 1895 zum Tag der feierlichen Einweihung. Als die Kastanien der Tiefurter Allee im Frühjahr 1894 in voller Blüte ihre Kerzen zeigten, war Richtfest. Jeder Arbeiter bekam anstatt alkoholischer Getränke einen Taler bar in die Hand.

    Die Arbeit der Stiftung soll unter dem Motto Johann Gottfried Herders leuchten:

    Licht - Liebe - Leben!

    Ein solches Heim bietet denjenigen im Alter ein Zuhause, die ihr Leben in den Dienst von Kunst und Kultur stellen.

    Marie Seebach wurde am 24. Februar 1829 als Tochter eines Schauspieler-Sänger-Ehepaares geboren. Bereits mit sechs Jahren stand sie mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester in Kinderrollen auf der Bühne. Ihr Talent war offensichtlich. Sie bekam mit 17 Jahren Schauspielunterricht und erhielt zwei Jahre später in Lübeck ihr erstes Engagement.

    Nach weiteren Verpflichtungen am Hoftheater Schwerin, in Danzig und Kassel wurde ihr Weltruhm durch Auftritte in München und Hamburg begründet (1854).

    Mit ihrem Mann, dem Wagner-Sänger Albert Niemann lebte sie in Berlin, dort wurde ihr Sohn Oscar geboren. Nach der Scheidung 1869 verließ sie Berlin. Nun begann eine rastlose fast 20-jährige Wandertätigkeit von Zürich bis Sankt Petersburg, von Wien bis Tilsit und Memel. Sie faszinierte ihr Publikum mit großer Virtuosität als Goethes unsterbliches Gretchen, Klärchen und Stella, als Schillers Luise Millerin, Prinzessin Eboli und Maria Stuart und als Desdemona in Shakespeares Othello. Es folgte eine Tournee in die USA. Mit der eigenen Seebach-Company war sie ein Jahr unterwegs. 1871 ließ sie sich in Dresden nieder.

    Nachdem Marie Seebach lange vorher ihre Fühler nach Berlin ausgestreckt hatte, wurde sie 1886 Nachfolgerin von Minona Fried-Blumauer am Hoftheater Berlin. Dort traf Marie der schwerste Verlust, den sie erleiden konnte: ihr einziger Sohn starb im Alter von 32 Jahren. Der Seelenschmerz hinterließ tiefe Spuren in ihrem Gesicht.

    Mit unbezwingbarer Willenskraft beschloß sie, ihr nicht unbeträchtliches Vermögen, welches für ihr einziges Kind bestimmt war, dafür zu verwenden, Schauspielern und Sängern einen sorgenfreien Lebensabend zu bereiten.

    Marie-Seebach-Stiftung Weimar

    Marie stiftete ein Altersheim für Bühnenveteranen. Unter mehreren Städten, die zur Auswahl standen, gab sie Weimar den Vorzug. Die zwischen Hügel gebettete Stadt, mit der Bühne Goethes und Schillers, schien ihr der ideale Wohnsitz für Künstler und Angehörige zu sein. Vom Großherzog Carl Alexander wurde sie unterstützt. Er überließ der Stiftung kostenlos ein Grundstück in der Tiefurter Allee.

    Mit dem Architekten Reichenbecher besprach sie Bauzeichnungen und Kostenvoranschläge. Dann wurde Marie krank, aber ihre Pläne für ein Künstlerheim ruhten während dieser schweren Zeit nicht. Am 9. Januar 1894 wurde sie von einem Pferdefuhrwerk überfahren, das hat ihr beide Beine gebrochen. Am 2. Oktober 1895 war die Einweihung des Marie-Seebach-Stifts. Am 3. August des folgenden Jahres starb sie, die zarte Erscheinung, während eines Kuraufenthaltes in Sankt Moritz.

    Die flüchtig notierten letzten Wünsche der Verstorbenen erfüllte ihre Schwester Wilhelmine. Diese überwies neues Kapital für die Vergrößerung des Stifts und es wurde 1899 wesentlich erweitert. Außerdem sollte in Berlin eine Theaterschule entstehen. Begabte, junge Kunstnovizen sollten unentgeltlich Unterricht bis zur vollständigen Ausbildung erhalten.

    Dem Kurator Hinrich Holz gelang es, die Eigenständigkeit der Stiftung, auch während der DDR-Zeit, zu bewahren. Nach der Wiedervereinigung errichtete man ein kleines modernes Pflegeheim. Ein weiterer Neubau entstand 1999 als "Betreutes Wohnen".

    Forum Seebach

    Es war wichtig, gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Bewohner des Künstlerheimes zu schaffen. Man richtete drei unterschiedlich große Seminarräume und ein Restaurant mit Speisesaal ein, in dem die Künstler mit ihren Familien die Mahlzeiten einnehmen. Eine Cafeteria und ein schön gestalteter Garten, in dem sich ein kleines Freilufttheater mit 60 Plätzen befindet, gehören dazu.

    Dieses Domizil der Geborgenheit wurde durch ein reichhaltiges Angebot von Konzerten, Lesungen und Theateraufführungen zu einem Ort der Kultur. Es ist eine Begegnungsstätte, in der in gemütlicher Runde Alt und Jung, Künstler und Bürger zusammentreffen. Das Foyer des Forums wird für Ausstellungen genutzt.An hohen weißen Wänden können die Besucher Gemälde in unterschiedlichsten Farbgestaltungen bewundern.

    Eine Gesellschaft ohne Kunst und Literatur, ohne Künstler und Musiker wäre eine tote Gesellschaft. Wer die Atmosphäre in diesem Heim erleben durfte, kann nicht anders als Solidarität üben. Die Gründerin der Stiftung, Marie Seebach, die gefeierte Schauspielerin vieler Bühnen der Welt, handelte in sozialer Verantwortung. Sie hat sich ein bleibendes Denkmal gesetzt!

    Magdalene Henneberg

    Siehe auch: Marie-Seebach-Stiftung Weimar
                      Die Wiege der deutschen Klassik
                      St. Peter und Paul

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