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Eindringlicher Appell von Dr. Mehmet Daimagüler: "Mischen Sie sich ein!"

Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung beeindruckte in einem lebhaften Gespräch über Vorurteile, Geschichtsaufarbeitung und bürgerlichem Engagement.

Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Mehmet Daimagüler, sprach auf Einladung des Runden Tisches gegen Gewalt und Rassismus am 23. März 2023 in der Aula des Werkstatt-Berufskollegs. © Kreisstadt Unna

"Die Frage ist nicht nur, was tun wir gegen Rassismus, sondern was tun wir auch für diejenigen, die für Toleranz einstehen." - Mit dieser Aussage traf Dr. Mehmet Daimagüler am Donnerstagabend einen Nerv, als auf Einladung des Runden Tisches in der Aula des Werkstatt-Berufskollegs sprach. Daimagüler, seit gut einem Jahr der erste Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, war im Rahmen der Aktionswochen gegen Gewalt und Rassismus nach Unna gekommen - und er zeigte sich beeindruckt von dem Engagement, das in Unna unter anderem durch die Arbeit des Runden Tisches für eine starke Demokratie gelebt wird.

Bürgermeister würdigt Engagement des Runden Tisches

Für Toleranz einstehen - das zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit des Runden Tisches, der anlässlich der Aktionswoche jede Menge verschiedener Veranstaltungen auf die Beine gestellt hat. Dies würdigte auch Bürgermeister Dirk Wigant, der zur Begrüßung von Dr. Mehmet Daimagüler betonte, wie wichtig die Arbeit des Runden Tisches für Unna sei: "Sie stehen ein für Demokratie, Toleranz und Vielfalt und zeigen damit, dass Unna zurecht den Titel 'Stadt ohne Rassismus - Stadt mit Courage" trägt", sagte Wigant.

Dass der Runde Tisch Dr. Mehmet Daimagüler für ein Gespräch gewinnen konnte, ist Beispiel dieses Engagements. Der Rechtsanwalt Dr. Mehmet Daimagüler ist der erste Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung. Am 1. Mai 2022 trat er das Amt an, das von der Bundesregierung neu geschaffen wurde und im Bundesfamilienministerium angesiedelt ist. Antiziganismus beschreibt den Rassismus gegenüber Sinti und Roma. Als Rechtsanwalt trat Daimagüler unter anderem als Opferanwalt im NSU-Prozess auf.

Aktiv die eigenen Vorurteile hinterfragen

Lebendig, konzentriert und dabei stets unterhaltsam ließ Dr. Mehmet Daimagüler die Zuhörer*innen an seinen Gedanken zum Thema Vorurteile- insbesondere gegenüber Sinti und Roma- teilhaben. "Nach 1945 hat man das Narrativ in die Welt gesetzt, die Sinti und Roma seien krimniell und arbeitsscheu. Dies hält sich bis heute und führt dazu, dass viele junge Sinti und Roma ihre Identität verheimlichen. Das macht etwas mit einem Menschen, wenn er einen Teil seiner Identität verheimlicht." In Schulbüchern sei die Darstellung des systematisch geplanten Völkermordes an den Sinti und Roma mangelhaft. "Da finden Sie nichts drüber. Und das hat Auswirkungen auf die nachfolgenden Generationen; die Vergangenheit ist nicht tot."

Was lässt sich gegen diese Vorurteile tun? Diese Frage, die im Plenum aufkam, begegnete Daimagüler mit bemerkenswerter Offenheit: "Auch ich ertappe mich bei solchen Vorurteilen. Wir alle haben gewisse Vorurteile, dass wir unbewusst Menschen Dinge pauschal zuschreiben. Aber was dann auch passieren muss, ist, dass sich unser demokratisches Gewissen meldet: Warum habe ich das jetzt gedacht? Ich kenne diesen menschen doch gar nicht, wieso denke ich dann sofort etwas von ihm?"

Antirassistischer Stadtrundgang am Samstag

Veranstaltungen wie die, die der Runde Tisch organisiert, seien wichtig, um genau dieses Bewusstsein zu schärfen, so Daimagüler. Oft bleibe man dabei aber unter sich und erreiche gar nicht dienjeingen, die vielleicht dringend erreicht werden müssten, kam der Hinweis aus den Reihen der Zuhörer*innen. "Deswegen müssen wir mehr machen, jeder Einzelne. Ich muss nicht nur mich selbst beobachten, sondern auch mein Umfeld im Blick haben: Wo werden - bewusst oder unbewusst - rassistische Äußerungen getätigt? Wo stelle ich mich dagegen und sage: Das geht so nicht! Hier hat jeder von uns viele Anknüpfungspunkte im privaten wie im beruflichen Umfeld." 

Ein gutes Beispiel für Veranstaltungen, die Toleranz sichtbar machen, sei der antirassistische Stadtrundgang, den der Runde Tisch für diesen Samstag, 25. März, in Unna organisiert hat. Während dieses geführten Rundgangs durch Unna sollen die Teilnehmer die Stadt aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen. Auch in Unna kam es in der Vergangenheit zu Ausgrenzung, Hass und Deportationen. Viele der Schicksale sind bislang nicht vollständig erforscht und die Spuren verblassen immer mehr. Diese Spuren sichtbar zu machen, sei wichtig, denn, so Daimagüler abschließend: "Humanität bemisst sich nicht darin, wie es einer behüteten Mittelschicht, sondern wie es der begrenzten, ungehörten Minderheit geht."

Terminhinweis:

Der Antirassistische Stadtrundgang findet am Samstag, 25. März 2023, um 17 Uhr statt. Treffpunkt: Buhre-Haus, Nicolaistraße 4, Unna Zentrum

Der Rundgang bedarf keiner Anmeldung und die Teilnahme ist kostenfrei