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"Wir wollen hinschauen": Ergreifende Worte bei Stolperstein-Verlegung

Erstmalige Verlegung im Gedenken an Opfer der sogenannten Euthanasie

Weiße Rosen am Stolperstein für Ottilie Backheuer vor ihrer ehemaligen Wohnanschrift an der Kleistraße 65 in Massen. (Foto: Kevin Kohues/Kreisstadt Unna)

Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung des Stolpersteins für Emma „Emmi“ Schrewe an der Massener Straße 27 in der heutigen Fußgängerzone. (Foto: Kevin Kohues/Kreisstadt Unna)

Stadtarchivar Dr. Frank Ahland mit Schüler*innen des Ernst-Barlach-Gymnasiums Unna bei der Stolperstein-Verlegung an der Massener Straße 27. (Foto: Kevin Kohues/Kreisstadt Unna)

Schülerinnen der Hellweg-Realschule Massen bereicherten die Verlegung des Stolpersteins für Ottilie Backheuer an der Kleistraße 65 in Massen mit ihren Beiträgen. (Foto: Kevin Kohues/Kreisstadt Unna)

Bürgermeister Dirk Wigant hielt eine Ansprache anlässlich der erstmaligen Verlegung eines Stolpersteins im Stadtteil Massen. (Foto: Kevin Kohues/Kreisstadt Unna)

Sechs Stolpersteine für Opfer der sogenannten Euthanasie wurden am Dienstag (6. Juni) von Künstler Gunter Demnig an verschiedenen Orten in Unna verlegt. Die Aktion fußte auf einer Zusammenarbeit des Stadtarchivs der Kreisstadt Unna und des VHS-Arbeitskreises Spurensuche und erhielt durch ergreifende Beiträge von Schüler*innen der Hellweg-Realschule Massen und des Ernst-Barlach-Gymnasiums Unna einen besonders würdigen Rahmen.

Seit 2007 wurden in Unna bereits rund 300 Stolpersteine für Menschen verlegt, die von den Nazis vor allem aus rassistischen Gründen gedemütigt, verfolgt und ermordet wurden. Bisher waren es Jüdinnen und Juden, die mit Stolpersteinen in das Gedächtnis der Stadtgesellschaft zurückgerufen wurden. Nun wurden in Unna erstmals Stolpersteine verlegt für Opfer der sogenannten Euthanasie, des systematischen Massenmords an Menschen mit Behinderung.

Akribische Aufarbeitung von Opfer-Schicksalen führt auch nach Hadamar

Das Stadtarchiv der Kreisstadt Unna und der VHS-Arbeitskreis Spurensuche hatten hierzu mit viel Akribie die Schicksale von sechs Opfern recherchiert und aufgearbeitet. Schülerinnen und Schüler, die sich ebenfalls sehr intensiv mit dem Thema befasst und dafür unter anderem die Tötungsanstalt der Nazis in Hadamar (Hessen) besucht hatten, erarbeiteten das Rahmenprogramm für die Verlegungsaktion, die ihren Anfang an der Kleistraße in Massen nahm.

Bürgermeister Dirk Wigant, Stadtarchivar Dr. Frank Ahland, Jürgen Düsberg vom VHS-Arbeitskreis Spurensuche und Schüler*innen der Hellweg-Realschule erinnerten in ihren Beiträgen vor Ort an das Schicksal von Ottilie Backheuer, die einst an der Kleistraße 65 gelebt hatte. Sie wurde von den Nazis im Alter von 45 Jahren in Hadamar mit Gas ermordet – ein Schicksal, das sie mit anderen Euthanasie-Opfern aus Unna teilt. Auch mit Emma „Emmi“ Schriewe, zu deren Gedenken ein Stolperstein vor ihrem ehemaligen Wohnhaus an der Massener Straße 27 in Unna verlegt wurde. Emmi Schrewe war 28 Jahre alt, als sie in Hadamar ermordet wurde. An der Massener Straße waren es Schüler*innen des Ernst-Barlach-Gymnasiums, die neben Jürgen Düsberg eindrücklich vom Schicksal der als „lebensunwert“ klassifizierten Menschen mit Behinderungen in der NS-Zeit berichteten und ihre eigenen Gedanken dazu mit den Zuhörenden teilten.

Schüler: „Wir wollen hinschauen – weggeschaut wurde nach dem Krieg viel zu oft“

Bei den Stolpersteinen gehe es darum, sagte ein Schüler, die Opfer ein kleines bisschen sichtbarer zu machen. Generell gehe es ums Hinsehen – und nicht ums Wegschauen. Genau das, so wurde es in den Beiträgen der EBG-Schüler*innen deutlich, sei in der Nachkriegszeit lange Zeit an der Tagesordnung gewesen. „Das Unrecht der Nazis endete nicht 1945“, sagten sie und erinnerten daran, dass viele NS-Täter glimpflich oder gar gänzlich ungeschoren davonkamen.

Weitere Stolpersteine verlegte Gunter Demnig an der Hertingerstraße 28 (im Gedenken an Bernhard Gödde), an der Gerhart-Hauptmann-Straße 24 (Charlotte Eppel), Gerhart-Hauptmann-Straße 29 (Herbert Voss) sowie an der Gesellschaftsstraße 15 (Julius Kissing). Ihren Abschluss fand die Verlegungsaktion am späten Nachmittag auf dem Westfriedhof am Grab von Ottilie Backheuer.

Stadtarchiv und VHS-Arbeitskreis Spurensuche setzen ihre Arbeit fort

Künstler Gunter Demnig kam am Dienstag bereits zum 15. Mal für eine Stolperstein-Verlegung nach Unna – und es ist gut möglich, dass er nicht zum letzten Mal da war. Angehörige von Opfern, deren Schicksal bislang noch nicht aufgearbeitet wurde, können sich an das Stadtarchiv der Kreisstadt Unna wenden. Es ist zu finden im zib am Lindenplatz 1 und außerdem erreichbar unter Tel. (02303) 103-727 sowie per E-Mail an stadtarchiv@stadt-unna.de.